2020 ist Vergangenheit. Und nun kann es tendenziell nur in eine Richtung gehen: steil aufwärts! Das betrifft auch die Leibesertüchtigung ausserhalb von Fitnesszentren.
Was war 2020 bloss für ein Jahr? Und weder Frau Tessier noch Madame Etoile sahen es kommen. Eishockey-WM abgesagt, Olympia und Fussball-Euro storniert, die Tour de Suisse fand im Wohnzimmer statt- und der Spengler Cup auf der Gamekonsole. Wie haben wir bloss die Festtage ohne Nachmittagseishockey überlebt? Doch nicht nur der Sport geriet aus den Fugen. Der Tourismus wurde eingefroren, die Swiss auf dem Flugfeld Dübendorf, wo unlängst noch die Radquer-WM stattfand, gegroundet. Wenn man heute am Himmel ein Flugzeug sieht, denkt man es sei ein Ufo. Oder frei nach ET: „Telefonieren nach Hause“.
Und aus Bern und Umgebung kamen (und kommen) die Hiobsbotschaften und Endzeitszenarien im Tagesrhythmus (nicht nur vom SCB). Immerhin wissen wir mittlerweile: Herr Koch hat uns brandschwarz angelogen, aber Alain Berset überlebt zumindest als Hut-Model jede Krise. Und die Sache mit dem ominösen R-Wert ist ohnehin ganz anders. Glauben Sie nichts, was Sie in den Zeitungen lesen. Am nächsten Tag beginnt alles von Neuen.
So ist noch immer alles irgendwie surreal. Die Medien verzeichnen Einschaltquoten auf Rekordniveau – und trotzdem droht die grosse Konkurswelle. Und als man dachte, schlimmer geht’s nimmer, begann Steffi Buchli zu singen. Zero Points. Zéro Point. Null Punkte.
Doch es gibt auch Funken der Hoffnung. Die Grasshoppers stürmen auf dem Fussballplatz mit chinesischem Geld und portugiesischer Power in Richtung Super League. Die Fussball-Nationalmannschaft hat doch noch ein Spiel gewonnen (Corona sei Dank) – und die Eishockey-Junioren verhinderten den Abstieg an der WM, ohne einen einzigen Punkt zu holen (Covid19 war die beste Verteidigung).
Nun ist auch von uns Hobbysportlern Krisenfestigkeit gefordert. Wenn der Feierabendathlet beim Fitnesszentrum vor verschlossener Türe steht, die Laufgruppe aus pandemischen Gründen zum Stillstand gezwungen ist und selbst die Langläufer dem Virus nicht mehr entkommen, ist guter Rat teuer. Denn schliesslich wollen wir die guten Vorsätze mindestens bis in den März retten.
So halten wir es mit Goethe: „Warum in die Ferne schweifen? Das Gute liegt so nahe“. Das beste Übungsgelände beginnt im Treppenhaus des Mehrfamilienhauses oder direkt vor dem Home-office: Wer ab sofort einen Bogen um den Lift oder die Rolltreppe macht, tut schon sehr viel für seine Fitness. Gemäss einer britischen Analyse können bei einem 15-minütigen Treppenlauf 121 Kalorien verbrannt werden. Grundsätzlich gilt: Ein Stockwerk mit 20 Stufen killt fünf Kalorien.
Darüber können sich in der Schweiz vor allem die Angestellten des Pharmakonzerns Roche freuen. Sie haben exklusiven Zugang zum Restaurant im obersten Stock des höchsten Gebäudes der Schweiz – des 178 Meter hohen Roche-Turms in Basel. Dort erhalten sie zwar momentan nichts zu essen, doch sie besitzen die Möglichkeit für einen 41 Stockwerke dauernden Appetitanreger. So verbrennen sie im Idealfall über 200 Kalorien. Der Zürcher Prim Tower bringt es zwar nur auf 36 Stockwerke (180 Kalorien), doch er ist der Öffentlichkeit zugänglich und könnte somit auch den lahmenden FCZ-Kickern als Ziel für leistungssteigernde Trainingseinheiten dienen.
Die besten Aufstiegsmöglichkeiten bietet aber eindeutig Basel. Auch das dritthöchste Haus des Landes – der Messeturm – kratzt die Wolken am Rheinknie. 31 Stockwerke = 155 Kalorien.
Die englische Firma „Step-Jockey“ hat aus der gesundheitsfördernden Wirkung der physischen Etagenüberwindung ein Geschäft gemacht. Sie bringt in Treppenhäusern Schilder mit motivierenden Parolen wie „Treppensteigen verbrennt mehr Kalorien als Joggen“ oder „Treppensteiger haben ein stärkeres Herz“. Fussgelenksfrakturen oder Aussenbandrisse interessieren „Step-Jockey“ nicht.
Treppenlaufen macht glücklich. Und es ist nicht nur eine ausgezeichnete Möglichkeit, um wohlstandsverwahrloste Büromenschen aus der Festtagsstarre zu locken. Die Fortbewegung in der Vertikalen hat sich längst als Wettkampfform durchgesetzt: Seit 1978 wird in New York der „Empire State Building Run Up“ durchgeführt. Die Teilnahme ist allerdings nur auf Einladung der „New York Road Runners“ möglich und erfordert eine sportliche Qualifikation. In Toronto blickt der „CN Tower Climb“ auf eine ebenso lange Geschichte zurück. Der Hochhaus-Lauf mit der grössten Stufenzahl findet aber in Wien statt – der „Millenium Tower Run Up“. In drei Aufstiegen werden 2340 Stufen bewältigt – dazwischen geht’s jeweils mit dem Lift gelenk- und energieschonend bergab. Trotzdem bleibt ein Kalorienverbrauch von 585 Einheiten. Ein paar Stück Sachertorte liegen da als Dessert bestimmt drin.
Dies lässt uns – Pandemie hin oder her – mit Optimismus in die Zukunft blicken. Und da es für gute Absichten nie zu spät ist, erlaube ich mir, Ihnen hiermit für die nächsten Monate nur das Beste zu wünschen – und halte es mit dem guten alten Aristoteles: „Wir können den Wind nicht ändern, aber die Segel anders setzen“. Oder mit prosaischen Worten: „Alles ist endlich und endlich ist 2020 vorbei.“ 2021 wird garantiert viel viel besser. Hoffentlich!
Thomas Renggli