Kühne Pläne mitten in der Krise. Wie der Showmanager Freddy Burger in der Pandemie zum Besitzer eines grandiosen Hotels in Portugal wurde und wie er den Gästen das seltene Erlebnis von bezahlbarem Luxus bietet.
Text: Thomas Renggli

Die Wellen schlagen mit tosender Gewalt auf die senkrechten Klippen. Die Gischt wirbelt und schäumt wie das Wasser in einer riesigen Wäscheschleuder. Über einem Fischerboot jagt ein Schwarm Möwen kreischend nach Restbeute. Und am Horizont wird die Sonne als feuerroter Ball vom Meer verschluckt. Dahinter kommt nichts mehr – oder zumindest nicht in Europa. Das nächste Stück Festland liegt in Amerika. Wir befinden uns an der Algarve, jenem Küstenstreifen Portugals, der einst ein eigenes Königreich war, an dem die Sehnsucht der stolzen Sehfahrernation vom permanenten Wind in die Seelen der Menschen getragen wird und der heute Touristen aus allen Ecken der Welt anlockt. Am Cabo de São Vicente, am südwestlichsten Punkt Europas, verkauft ein deutscher Auswanderer die „letzte Bratwurst vor Amerika“ – und händigt als Supplement jedem Gast ein „Kap-Zertifikat“ aus.
Unweit dieses mystischen Orts hat Freddy Burger sein neues Glück gefunden. „Ist es nicht wunderbar hier“, sagt er und legt seiner Ehefrau Isabella zärtlich die Hand auf die Schulter. Die beiden stehen hoch über dem Atlantik und blicken in die Ferne. Seit vergangenem Juli ist der Showmanager und Unternehmer aus Zürich Besitzer des Hotels „Vivenda Miranda“ – was auf Deutsch „bewundernswerte Villa“ bedeutet. „Der Name passt perfekt“ sagt Burger und erzählt mit der Begeisterung eines Teenagers: „Als ich dieses Hotel zum ersten Mal sah, habe ich mich auf der Stelle in diese einzigartige, wunderschöne Oase verliebt“.
Glückliche Fügung des Schicksals: Das Haus war pandemiebedingt geschlossen und stand zum Verkauf. Weniger glücklich war dagegen der Geschäftsgang in Burgers Show- und Gastronomieimperiums. Nachdem am 13. März 2020 der Lockdown der ganzen Schweiz den Stecker rausgezogen gezogen hatte, standen auch Burgers Betriebe still: „Die Corona-Krise hat uns wirtschaftlich hart getroffen. Von einem Moment auf den anderen waren wir ohne Einnahmen – für rund anderthalb Jahre. Aber ich bin ein Mensch, der vorsichtig kalkuliert und nicht über die Stränge schlägt. Auch deshalb besassen wir genügend Reserven, um mit einem blauen Auge davonzukommen.“
Burger beschreibt sich selber als „recht rationalen Manager“. Da passt es schlecht, dass er ausgerechnet in der grössten Krise seit dem zweiten Weltkrieg ein Hotel in einem der strukturschwächsten Länder Europas kauft. Wenn er darauf angesprochen wird, sagt er schmunzelnd: „Tatsächlich haben mich meine Freunde und Bekannten gefragt, wie ich mir das antun könne.“ Und er habe geantwortet: „Ja, genau jetzt ist der richtige Zeitpunkt, nochmals etwas neues zu machen.“ Es sei ein Bauchentscheid gewesen sagt Burger – und fügt sofort an: „Vor allem bin ich Geschäftsmann. Und zwischen Bauch und Kopf besteht bei mir eine direkte Verbindung.“ Er sei überzeugt davon, dass Portugal – insbesondere die Algarve – ein noch nicht ausgeschöpftes Potenzial besitze; ein Potenzial, das in den nächsten Jahren erst noch entdeckt werden wird. Burger gerät ins Schwärmen: „die Natur, das Klima, die Menschen, das sportliche Angebot, die Küche“.
Die Vivenda Miranda passt perfekt in diese Umgebung – mit der schier unschlagbaren Lage als wichtiges Verkaufsargument. Den Standort verdankt das Gebäude einer glückhaften Konstellation. In seinem ursprünglichen Zustand wurde es im 19. Jahrhundert als Herrschaftssitz einer englischen Adelsfamilie zu einer Zeit erreichtet, als es noch keine Bauverordnung gab. Und als es in den 1990-er Jahren neuerstellt wurde, konnte man sich auf die bestehenden Grundmauern berufen. Denn mittlerweile gilt für Neubauten ein Mindestabstand zur Küstenlinie von 200 Metern. So thront die in roten Pastelltönen gehaltene Anlage mit 2900 Quadratmetern Wohnfläche und einem Gesamtumschwung von 7500 Quadratmetern hoch über dem Atlantik wie auf einem unsichtbaren Plateau. Auf der Restaurantterrasse scheint man über dem stahlblauen Wasser zu schweben. Mit etwas Glück kann man sogar die Delfine beim Spielen beobachten. Die Küche wird dem Anspruch der Szenerie problemlos gerecht. Der deutsche Spitzenkoch Christoph Vogt bietet ein internationales Angebot mit einer grossen Auswahl an frischen Fischen und einem exzellenten Lammkotelett. Freddy Burger freilich hat einen anderen Tipp auf Lager: „den Freddy Burger“, der vielleicht beste Rindfleisch-Hamburger diesseits des Atlantiks.
Die wahre Qualität eines Hotels erkennt man aber erst in den Zimmern. Und hier überrascht das Vivenda Miranda die Gäste hinter jeder Türe von neuem. Jeder der 27 Räume ist von der deutschen Künstlerin Christina Meier individuell gestaltet, von Hand gestrichen und liebevolle ausdekoriert. Prunkstück ist die Boutique Suite, in der man sowohl aus dem Doppelbett als auch aus der Dusche direkte Meersicht besitzt. Auf dem grosszügigen Balkon fühlt man sich wie in der Loge eines Opernhauses – mit dem kleinen Unterschied, dass man nicht auf eine Bühne blickt, sondern auf die atemberaubende Kulisse von weissen Stränden, rötlich strahlenden Felsformationen und einer Wasseroberfläche, die in allen Blau- und Grüntönen leuchtet; und das zu einem überschaubaren Preis ab 385 Euro pro Nacht. „Bezahlbaren Luxus“, nennt es Freddy Burger – und schiebt nach: „einen schöneren Ort kann ich mir kaum vorstellen“.
Seine Worte erhalten im „Rei das Praias“ noch mehr Gewicht. Es ist eine ehemalige Strandbar an der malerischen Bucht „Praia dos Caneiros“, die zu einem der besten Fischrestaurants befördert wurde. Die Aussicht über den Atlantik ist atemberaubend. Ein grosser Felsen steht wie ein gewaltiger Monolith sprichwörtlich in der Brandung. Obwohl das Wasser auch in der heissesten Jahreszeit kaum über 23 Grad warm wird, tummeln sich noch Ende Oktober viele Menschen in der Brandung. Es scheint, als gehe der Sommer hier nie zu Ende. Doch der Blick auf das unbeschwerte Treiben macht auch deutlich, dass mit dem Ozean nicht zu spassen ist; zu unberechenbar sind die Strömungen, zu hoch die Wellen. Die Rettungsschwimmer stehen in Vierer-Formation einsatzbereit am Strand und holen immer wieder Badende aus dem Wasser, die sich zu viel zumuten. Denn schon mancher ist hier wie von Geisterhand auf das offene Meer hinausgezogen worden.
Doch wenn Luis Filipe mit den Menüvorschlägen an den Tisch tritt, sind diese Gedanken weit weg. Der Mann führt mit seiner Familie diesen unkonventionellen Betrieb seit 40 Jahren, kennt die meisten Gäste mit Vorname und kauft den Fischern persönlich das Meergetier ab: Als er Freddy Burger sieht, leuchten seine kleinen Augen und verstärkt sich sein verschmitztes Schmunzeln zu einem fröhlichen Lachen. Es sind auch solche Begegnungen, die Burger an diesen Ort binden und ihm eine feste emotionale Basis geben. „Ich werde hier behandelt wie ein Einheimischer“, sagt er.
Vor vierzig Jahren erstand er an diesem damals noch wenig erschlossenen Ort seine erste Liegenschaft und gestaltete sie (als gelernter Hochbauzeichner) eigenhändig um. Heute ist die Villa mit grossem Swimmingpool und präzis geschnittenem Rasen für ihn einer seiner wichtigsten Kraft- und Fluchtorte.
Hier tankt der Erfolgsmanager neue Energie, hier holt er Schwung für neue Ideen und Visionen. Schliesslich fühlt er sich auch mit 75 Jahren noch längst nicht am Ende seiner Schaffensperiode. Die Kraft schöpft er vor allem auch aus seiner Beziehung mit der zwanzig Jahren jüngeren Isabella. Die beiden kennen sich schon lange, haben Kinder aus früheren Ehen, sind ein eingespieltes Team – obwohl sie aus Welten kommen, die unterschiedlicher nicht sein können. Burger, als Arbeiterkind im Zürich Aussenquartier Schwamendingen aufgewachsen, ist der gelegentlich hemdsärmelige Macher, der in Zürich einst die legendären Nachtclubs The Joker (Adagio) und Mascotte lancierte, während vier Jahrzehnten mit geschickter Hand und kühlem Blut Udo Jürgens durchs oft überhitzte Showgeschäft lenkte und letztlich einen Konzern mit 20 Firmen und 200 Festangestellten etablierte. Isabella, die studierte Psychologin, begleitet Menschen „in schwierigen und herausfordernden Lebensphasen“. Dafür nutzt sie neben konventionellen Methoden auch hypnotische Elemente. Geht man von der These aus, dass sich Gegensätze anziehen, sind Freddy und Isabella Burger das beste Beispiel, dass dies stimmt.
Emotional ist Isabella die wichtigste Stütze von Burger; auch was das Hotelprojekt betrifft. Sie war von der Anlage sofort ebenso begeistert, und sie lernte ihren Ehemann bei den Verhandlungen von einer ganz neuen Seite kennen: „Ich war beeindruckt wie hart und zielorientiert er in den Gesprächen mit dem früheren Besitzer auftrat“. Hätte Isabella das Vorhaben aber nicht voll und ganz unterstützt, Freddy Burger wäre kaum zum Hotelbesitzer geworden. Geschäftlich kann er sich auf den erfahrenen Gastronom und Hotelier Andy Stocker verlassen. Der Spross einer bekannten Familie und Cousin des legendären Klimawissenschaftlers und Umweltphysikers Thomas Stocker sowie des Grossbäckereibesitzers Urs Stocker führt seit Jahrzehnten in Lagos unweit von Burgers Domizil den Carvoeiro Club, eine exklusive Villenanlage, in der auch Burger vier Häuser besitzt, sowie weitere Ferienresorts. Stocker war es, der Burger vor anderthalb Jahren auf das Hotel Vivenda Miranda aufmerksam machte; er ist es, der das Haus heute als Pächter zusammen mit der Geschäftsführerin Patricia Bürer leitet. Von den Angestellten wird er respektvoll „Direktor“ genannt.
Stocker schaut dafür, dass in diesem speziellen Betrieb die Scharniere funktionieren und die einzelnen Rädchen perfekt ineinander greifen. Zur Philosophie des Hauses sagt er: „Wir richten unser Angebot an Individualreisenden mit hohen Ansprüchen aus.“ Im Sommerhalbjahr sei die Auslastung gut. Entscheidend für den kommerziellen Erfolg sei aber der Winter. Dann hofft er, unter anderem Golfspieler anzulocken. Denn kaum an einem anderen Ort der Welt ist die Dichte an Golfplätzen grösser. Allein zwischen der spanischen Grenze und der Westküste warten 45 Courses auf die ambitionierten Spieler.
Einen grossen Wert legt Stocker ausserdem auf das kulinarische Angebot. Offenbar hat sich dies auch schon im Kreis des Sportadels herumgesprochen. Kürzlich gab sich der frühere Tennis-Weltranglistenerste Stefan Edberg die Ehre. Er soll von Küche und Service begeistert gewesen sein und seine Rückkehr bereits angekündigt haben.
Zufall ist das nicht. Denn mit dem Besitzerwechsel wurde ein Grossteil des Personals ausgewechselt und damit neue Dynamik und frischen Schwung entfacht. Zuvor hatte Urs Wild, ebenfalls ein Schweizer, den Betrieb während 30 Jahren mit viel Herzblut geführt. Weil sich die Nachfolge aber nicht innerhalb der Familie regeln liess, entschied er sich zum Verkauf. Dass bei der neuen Crew viele Abläufe für die Angestellten noch neu sind, bemerkt der Gast nie. Der Service ist überaus freundlich, die Mitarbeiter sind hochmotiviert und lesen den Gästen jeden Wunsch von den Augen ab. Und der Stress des Alltags wird schon am Morgen konsequent ausgeblendet. Anstelle des mittlerweile branchenüblichen Frühstücksbüffets, an dem es spätestens nach dem fünften Gast so ähnlich aussieht wie nach der Schlacht bei Waterloo, wird die erste Mahlzeit des Tages auf Bestellung und direkt an den Tisch serviert – dazu gehört auch der frischgepresste Orangensaft, der tadellose italienische Kaffee sowie Omelette mit der perfekten Konsistenz. So kann man die Aussicht ohne Hektik und Gefühl der Torschlusspanik geniessen und Pläne für den weiteren Tag schmieden: Soll man schwimmen gehen? Soll man an der endlosen Küstenlandschaft auf den spektakulären Holzstegen spazieren? Soll man am wunderbaren Swimmingpool einfach die Seele baumeln lassen? Oder den Nachmittag im Spa- und Wellnessbereich geniessen. Was immer man auch tut, etwas wird man kaum vergessen: Freddy Burger und Andy Stocker zu danken, dass sie diesem kleinen Paradies neues Leben eingehaucht haben.